Gute Prüfungen konzipieren

Ob Online oder in Präsenzform – gute Prüfungen verknüpfen in jedem Fall drei Bausteine: Das angestrebte Endverhalten (=Lernziel), die Bedingungen, unter denen dieses Verhalten gezeigt werden soll und die Kriterien für die Beurteilung, wie gut es demonstriert wurde.

Ein weiteres Merkmal von kompetenzorientierten Prüfungen ist die Überprüfung von Kenntnissen, Fertigkeiten und Kompetenzen anhand von realitätsnahen, fallbasierten Fragen und Aufgabenstellungen.

Bausteine guter Prüfungen

Endverhalten

Das Endverhalten ist das, was Studierende am Ende eines Lernprozesses tun können. Das kann die Erläuterung von Fachbegriffen sein, die Durchführung einer Berechnung mit einem bestimmten Verfahren, die Anwendung von Gesprächstechniken in einem Rollenspiel oder ein anderes als Lernergebnis definiertes Verhalten.

Entscheidend ist dabei, dass man als Lehrende/r eine klare Vorstellung hat, welche Kompetenzen die Studierenden durch konkretes, beobachtbares Verhalten demonstrieren sollen, somit: Welche Lernziele sie erreichen sollen.

Bedingungen

Mit der Angabe von Bedingungen können Sie festlegen, wie eine Fähigkeit demonstriert werden soll. Dabei gibt es unterschiedliche Fragen zu klären:

  • Ist ein bestimmtes Hilfsmittel bloß erlaubt oder muss es sogar verwendet werden, um beispielsweise die kompetente Anwendung auf ein Problem zu prüfen?
  • Soll eine schriftliche Prüfung als Open Book-Prüfung durchgeführt werden, um die Fähigkeit, Zusammenhänge herzustellen, zu prüfen? Oder als Closed Book-Prüfung, weil die Überprüfung von Faktenwissen im Vordergrund steht?
  • Sollen Studierende eine Problemlösung nach einem vorgegebenen Schema ausarbeiten oder sollen sie dafür selbstständig ein Schema entwickeln?

Die Klärung dieser und weiterer Fragen wird auch von den jeweiligen Lernzielen Ihrer Lehrveranstaltung beeinflusst. Wichtig ist dies auch deshalb, weil durch die Festlegung von speziellen Prüfungsbedingungen auch der Schwierigkeitsgrad von Prüfungen definiert wird.

Kriterien

Studierende fragen oft, nach welchen Kriterien ihre Lehrveranstaltungsteilnahme und ihre Prüfungsleistungen beurteilt werden. Indem wir transparente Kriterien für Beurteilungen kommunizieren, können wir viele Missverständnisse, die oft erst am Ende einer Lehrveranstaltung oder danach auftauchen, schon am Beginn einer Lehrveranstaltung aus der Welt schaffen und den Studierenden wertvolle Hinweise geben, wie sie ihre Lernaktivitäten organisieren können.

Ein erster hilfreicher Schritt zu guten Prüfungen besteht darin, zwischen kriterienorientierten Normen, gruppenorientierten Normen und individuellen Normen zu unterscheiden.

Kompetenzorientierung und fallbasierte Fragen / Aufgaben:

Einige Grundregeln guter Prüfungen gelten unabhängig davon, ob sie in Präsenzform oder online, schriftlich oder mündlich durchgeführt werden: Kompetenzorientierung, fallbasierte Aufgaben, Vielfalt von Prüfungsfragen und Aufgabenstellungen.

Kompetenzorientierung in Online-Prüfungen

Kompetenzorientierte Prüfungen zielen darauf ab, die Fertigkeiten und Kompetenzen von Studierenden in authentischen, problemlösungsorientierten Situationen zu beobachten und zu bewerten. In Online-Prüfungsumgebungen ist das aufgrund der künstlichen Situation natürlich nur eingeschränkt möglich.

Dennoch können Online-Prüfungen so konzipiert werden, dass nicht nur isoliertes Wissen abgefragt wird, sondern konkrete Fähigkeiten in realitätsnahen Aufgabenstellungen gezeigt werden müssen. Auch online kann geprüft werden, ob Studierende über Faktenwissen hinausgehend ein tieferes Verständnis von Sachverhalten und anwendungsorientierte, analytische und konstruktive Fertigkeiten und Kompetenzen besitzen.

Für kompetenzorientiertes Prüfen kommen daher vor allem fall- bzw. szenariobasierte Prüfungsfragen und Aufgabenstellungen zum Einsatz. Dabei wird eine möglichst realistische Situations- bzw. Problembeschreibung formuliert, mit dem die eigentliche Prüfungsfrage verknüpft ist. Die Prüfungsfragen selbst beziehen sich auf einen oder mehrere Aspekte dieser Fallbeschreibung. Die Studierenden müssen bei dieser Prüfungsform spezifische Kenntnisse und Fertigkeiten anhand einer konkreten, realitätsnahen Situation nachweisen.

Unterschiedliche Formate für Fragen und Aufgabenstellungen nutzen

Fallbasierte Prüfungsfragen und Aufgabenstellungen können auch komplexe Formen annehmen, z.B. die Form eines Business Cases, der einen Großteil oder sogar die gesamte Prüfung umfasst. Zu beachten ist dabei, dass für die Konstruktion von komplexen Szenarien oder Cases mit größerem Aufwand zu rechnen ist. Die Elemente, die in einem Case/Szenario enthalten sind, können sehr vielfältig sein und Diagramme, Skizzen, Textauszüge aus Dokumenten/Zitate, Formeln bis hin zu Bildern, Audios und Videos enthalten u.a.m. enthalten.

Ein Vorteil von gut konstruierten Szenarien oder Cases für Prüfungszwecke ist, dass sie die Basis für verschiedene Fragetypen bilden, mit denen auch unterschiedliche Niveaus von Kenntnissen, Fertigkeiten und Kompetenzen geprüft werden können.

Der Nachteil soll hier auch nicht verschwiegen werden: Je komplexer Fälle und Szenarien inhaltlich, methodisch und medial sind, desto größer ist der Aufwand für die Erstellung. Es wird daher in der Regel darum gehen, eine gute Balance zwischen inhaltlichen Prüfungsanforderungen und Aufwand bei der Szenarioformulierung zu finden.

Die einzelnen Niveaus der unterschiedlichen Frage- und Aufgabentypen entsprechen der Lernzieltaxonomie von Krathwohl und Anderson, die auch die Grundlage für die Lernergebnisorientierung und Kompetenzorientierung an unserer FH ist.

Tipp:

Wenn Sie fallbasierte Fragen und Aufgaben verwenden, sollten Sie bei der Entwicklung der Prüfungsfragen auch gleich idealtypische Antworten bzw. Ergebnisse in Form einer Musterlösung festhalten. Dadurch erkennen sie Abweichungen in den Antworten schneller und die Beurteilung der Prüfungsarbeiten geht schneller voran.

Zum Weiterlesen: Der ECTS Users' Guide

Das Rahmendokument der EU für zeitgemäße Lehre.