Good Practices – direkt aus unserer Lehre!
Haben auch Sie ein gutes Lehrbeispiel, das Sie mit KollegInnen teilen würden?
Wir freuen uns, wenn Sie uns eine kurze Beschreibung schicken (ideal sind 2000-2500 Zeichen). Gerne auch mit Links.
Wir kontaktieren Sie dann und stimmen gemeinsam mit Ihnen die Veröffentlichung Ihres Beitrags ab.
Fragen richten Sie bitte an: dietmar.paier@fh-vie.ac.at.
Hier finden Sie detaillierte Beschreibungen von Lehrveranstaltungskonzepten, von LehrinnovatorInnen, die ihre Lehrpraxis reflektiert und kontinuierlich weiterentwickeln, geteilt werden. In jedem Beispiel sind die Eckpunkte des Lehrkonzepts in folgender Gliederung kompakt und anschaulich beschrieben:
- Motivation
- Lernziele
- Didaktisches Konzept
- Besonderheiten
- Erfahrungen mit dem LV-Konzept
Wir wünschen eine spannende Lektüre!
ILV Management of Stakeholders and Change Project (PIT): Durch Selbstreflexion zur Handlungsfähigkeit
LV-LeiterInnen: Prof.in (FH) Mag.a (FH) Ina Pircher, DI Dr. Roland Schuster, Priv.Doz. Mag. Dr. Hubert Lobnig
Lernziele:
Nach Absolvierung der Lehrveranstaltung sind die Studierenden in der Lage,
- unterschiedliche Ansätze zur Diagnose sozialer Dimensionen sowie deren Merkmale zu benennen und zu erläutern,
- soziale Systeme auf Basis der Unterscheidung von Diagnose und Vor- bzw. Werturteil zu bestimmen und zu analysieren,
- die soziale Dimension von Change-Prozessen und die soziale Dynamik der beteiligten Interessensgruppen (Stakeholder) am Beispiel ausgewählter Fälle zu analysieren,
- das eigene Erleben und Verhalten in gruppen- und organisationsdynamischen Prozessen so-wie den eigenen Umgang mit Widerständen und Konflikten zu artikulieren und zu reflektieren.
Didaktisches Konzept:
Das Lehrveranstaltungskonzept beruht auf der Überlegung, dass für ein vertieftes Verständnis der Dynamiken von Change Projekten eine rein theoretische Vermittlung von Wissen über Changemanagement- und Gruppenprozesse nicht ausreicht. Erst das eigene Erleben und die Reflexion dieses Erlebens im Hier und Jetzt ermöglicht eine vertiefte Einsicht in die komplexe soziale Dimension von Change-Projekten. Zu diesem Zweck wird eine Lernumgebung geschaffen, die es den Studierenden ermöglicht und gleichzeitig auch von ihnen verlangt, die eigene Betroffenheit innerhalb der Gruppe (Lehrveranstaltung) bzw. Organisation (Fachhochschule) zu bearbeiten.
Am Beginn der Lehrveranstaltung werden die Organisationsstrukturen des Studiengangs und der Lehrorganisation in den Mittelpunkt gerückt. Damit wird ein Umfeld geschaffen, in dem die Studierenden in einer direkten Betroffenheit agieren. Die Lehrenden stellen bestehende Verhältnisse in Frage und laden die Studierenden dazu ein gewohnte Strukturen von Autoritätsbeziehungen, hierarchische Zusammenhänge und andere – selbstverständliche, routinierte und deshalb kaum hinterfragte – Merkmale des eigenen Erlebens und Tuns zu reflektieren.
Im Laufe der Lehrveranstaltung werden mit unterschiedlichen Methoden die Wirkung von Vor- und Werturteilen und ihre Bedeutung für die Diagnose von Strukturen, Beziehungen und Dynamiken in sozialen Systemen bewusst gemacht. Dabei wird mit Kleingruppen, die nach dem Prinzip größtmöglicher Diversität zusammengesetzt sind und in der Großgruppe (Plenum) gearbeitet. Die Studierenden setzen sich aus Vollzeit- und berufsbegleitend Studierenden zusammen. Die Lehrveranstaltung wird in englischer Sprache durchgeführt.
Ablauf:
Vor der ersten Lehrveranstaltungseinheit erhalten die Studierenden einen Auftrag über Moodle, eine selbst gewählte persönliche Erfahrung im Kontext von Change Projekten und des Managing von Stakeholdern als Fall zu formulieren. Diese verschriftlichten Erfahrungen (Falldarstellungen) sind Ausgangspunkt des von den Lehrenden moderierten Lehrveranstaltungsprozesses.
Erste Lehrveranstaltungseinheit:
Am Beginn der ersten Einheit erklären die Lehrenden die Lernziele und das Konzept der Lehrveran-staltung. Daran schließt ein Input über Vor-Urteile (Voraus-Setzungen) und ihre Bedeutung in Change Projekten und für Stakeholder an. Besonderes Gewicht liegt auf dem Umgang mit Vor-Urteilen und deren problematischer Wirkung, in der Diagnosephase bereits in Wertungen zu „kippen“.
Im Anschluss an diesen Input präsentieren die Studierenden ihre Fälle untereinander in Kleingruppen. Bei der Zusammensetzung der Teams achten die Lehrenden auf maximale Diversität der Studierenden. In den Teams werden alle Fälle besprochen; jedes Team wählt einen Fall aus, der den von den Lehrenden vorgegebenen Kriterien am besten entspricht.
Die ausgewählten Fälle werden von den Teams im Plenum präsentiert und der Rest der StudentInnen und die Lehrenden geben Feedback bzw. nehmen dazu Stellung. Durch entsprechende gruppendynamische Moderation der Gesamtgruppe gelangen sowohl die StudentInnen als auch die Lehrenden zu einem erweiterten Bewusstsein über den jeweils diagnostizierten Fall und damit auch zur Einsicht, welchen Nutzen die Hinterfragung von selbstverständlichen Sichtweisen und das Beachten der dabei auftretenden Emotionen besitzt.
Nach der ersten Lehrveranstaltungseinheit analysiert das Team der Lehrenden die ausgewählten Fälle und das Verhalten der einzelnen Gruppen. Aus dieser Analyse ergibt sich, ob das Lehrveranstaltungskonzept im Lichte der bisherigen Entwicklung Adaptionen benötigt.
Zweite Lehrveranstaltungseinheit:
Am Beginn der zweiten Einheit erörtern die Lehrenden in einem theoretischen Input die Frage, in welchen Bereichen von Change Projekten Diagnosen von Systemen erforderlich sind und welche Zugänge und Methoden für eine Diagnose verwendet werden können.
Im Anschluss erhalten die Teams den Auftrag, das neu gewonnene Wissen für eine vertiefende Fall-analyse zu verwenden, in der z.B. im Detail herausgearbeitet werden soll, welche Rollen im jeweiligen Fall enthalten sind, wie Hierarchien beschaffen sind, welche Systemgrenzen es gibt etc. Die Lehren-den unterstützen die Arbeit der Teams durch Beispiele, wie die Anwendung unterschiedlicher Methoden aussehen kann, wobei jede/r Lehrende seine/ihre jeweils präferierte Methode vertritt. Im konkreten Fall: Organisationsentwicklung und Change Management (Lobnig), dialektische Philosophie und Gruppendynamik (Schuster), freie Assoziation der Psychoanalyse (Pircher).
Nach Abschluss der Fallanalyse in den Kleingruppen präsentieren diese die Ergebnisse im Plenum. Die Lehrenden geben Feedback und moderieren damit gleichzeitig den Gruppenprozess; auch die anderen Studierenden sind zum Feedback eingeladen. Zu diesem Zeitpunkt ist der Gruppenprozess meist schon so weit fortgeschritten, dass ein erstes Storming möglich wird. Die Studierenden haben auf Grund der unkonventionellen Lehrmethode bereits entsprechende Frustration aufgebaut, sind aber gleichzeitig fähig diese im Plenum offen zu äußern. Dadurch machen die Studierenden die Erfahrung, dass es möglich ist, über Konflikte zu sprechen, die eigene emotionale Befindlichkeit zu artikulieren oder die eigene Meinung auch gegen Autoritäten zu vertreten. Dadurch erkennen sie auch, dass die Artikulation der eigenen Wahrnehmung und des eigenen Erlebens und die Reflexion des eigenen Verhaltens sie selbst als Individuum wie auch die Gruppe als Ganzes handlungsfähiger macht. Die zweite Einheit schließt mit einer gemeinsamen Feedbackrunde im Plenum.
Auch nach dieser Lehrveranstaltungseinheit analysiert das Team der Lehrenden die aktuelle Lehrsitu-ation. Aus dieser Analyse ergeben sich die nächsten Schritte.
Dritte und vierte Lehrveranstaltungseinheit:
In zwei weiteren Einheiten werden weitere Fälle im Plenum durchgearbeitet: Studierende analysieren gemeinsam mit Lehrenden unterschiedliche Aspekte der ausgewählten Fälle aus unterschiedlichen Perspektiven. Dabei lernen Studierende, unterschiedliche Sichtweisen auf einen Fall anzuwenden, die hemmende Wirkung eigener Vor-Urteile bzw. Voraus-Setzungen zu reflektieren und eine differenziertere Diagnose durchzuführen. Durch das Wechselspiel von fachlichen Inputs, Offenlegung der Wirkung von Vor-Urteilen (Voraus-Setzungen, Werturteilen) und gruppendynamischen Interventionen der Lehrenden vertiefen die Studierenden ihre Kenntnisse über die Anforderungen, Kriterien und Möglichkeiten einer gelingenden Diagnose in Change Prozessen.
Beurteilung:
Bei Anwesenheit und Mitarbeit in allen vier Lehreinheiten erhalten die Studierenden 70 Punkte. Weitere 30 Punkte erhalten sie für den am Beginn eingebrachten Fall (Falldarstellung, 15 Punkte) sowie für die Reflexion dieses Falles im Lichte des Gelernten am Ende der Lehrveranstaltung (Lessons Learned, 15 Punkte).
Erfahrungen:
Die Lehrveranstaltung ist für Studierende fachlich, emotional und in sozialer Hinsicht sehr fordernd. Eine wesentliche Herausforderung für die Lehrenden liegt darin, den Studierenden zu vermitteln, dass es bei der Diagnose eines Falls kein „richtig“ oder „falsch“ gibt. Die Qualität der Diagnose ergibt sich einerseits aus der eigenen Bereitschaft und Fähigkeit, sich einzubringen und sich auf den Fall einzulassen, und andererseits daraus, eben diese Involvierung zu reflektieren und Distanz zu ihr zu gewinnen.
Studierende sind am Beginn der Lehrveranstaltung zunächst häufig irritiert über das Lehrveranstal-tungskonzept. Am Ende bzw. nach der Lehrveranstaltung berichten viele Studierende, dass sie durch die Lehrveranstaltung gelernt haben, Change Prozesse anders zu sehen und viele Aha-Effekte erlebt haben, bei denen ihnen „Knöpfe aufgegangen“ sind.
Die Durchführung der Lehrveranstaltung als Team-Teaching erfordert ein routiniertes, eingespieltes Team von Lehrenden. Diese müssen in der Lage sein, die Entwicklung von Kleingruppen wie die der Großgruppe permanent zu beobachten und die Entwicklungsprozesse einzelner Studierender ebenso wie die der Arbeitsgruppen laufend zu reflektieren, um adäquate Inputs zu geben und Interventionen setzen zu können.
PS Projektarbeit Maschinen- und Anlagenbau (TVM): Teaching Lab
LV-LeiterInnen: DI Dr. Roland Schuster, Prof. Dr. Jürgen Radel
Ziele:
Das Ziel dieses Teaching Labs ist es, mit Hilfe einer innovativen Didaktik einerseits den Transfer von Inhalten zu verbessern und andererseits durch die Form der Vermittlung, eine Emanzipation der Studierenden zu ermöglichen.
Der Kern der im Rahmen des Teaching Lab weiterentwickelten emanzipatorischen Didaktik und gleichzeitig auch deren Herausforderung ist, die teils direkte, teils indirekte Vermittlung von Inhalten mittels Nutzung von Interventionen, die zu einer höheren Selbständigkeit auf Seite der Studierenden führen sollen.
Durch bewusste Thematisierung von im Lehrsystem vorhandenen, immanenten Widersprüchen werden unvermeidliche Rollenkonflikte, sowohl auf Seite der Lehrenden als auch auf Seite der Studierenden thematisiert. Dadurch wird es möglich in der Lehre zwischenmenschliche Komplexität zu prozessieren und zu reflektieren. Dies ist u.E. deshalb notwendig, weil den Studierenden nur so soziale Komplexität in Wort und Tat transparent vermittelt werden kann. Passiert dies nicht, so werden lediglich Tabus tradiert, und anstelle von Anpassungsmöglichkeit durch bewusste Reflexion verfestigt sich nicht reflektierbare Regelgebundenheit.
Teaching Labs:
Im Rahmen des von der MA23 geförderten Projekts Innovative Didaktik, durchgeführt an der FH des BFI Wien, wurden sogenannte Teaching Labs etabliert. In der Projektbeschreibung ist ausgeführt, dass mit den Teaching Labs, im Sinne einer Didaktik der Selbstorganisation, vor allem Lehrkonzepte im Vordergrund stehen sollen, die selbstorganisiertes lernen von Studierenden fördern. Eines dieser Teaching Labs war das Teaching Lab Projektarbeit MuA, das unter Anwendung von Interventionsforschung geplant, ausgeführt und beforscht wurde.
Das Teaching Lab Projektarbeit M&A wurde ausgeführt als first-, second- and third-person inquiry. Pragmatisch dargelegt und auf die vorliegende Forschung bezogen ist
- first-person inquiry die Selbstreflexion der beiden Forscher [RJS und JR]
- second-person inquiry die Reflexion im direkten Gespräch mit Kolleginnen, Kollegen und Studierenden; in diesem Fall der Dialog der beiden Autoren [RJS und JR], Gespräche mit, Beobachtungen und Rückmeldungen durch Kolleginnen, Kollegen, Projektleitung und externe Expertinnen und Experten,
- third-person inquiry der Diskurs mit der wissenschaftlichen Gemeinschaft mittels Publikationen; in diesem Fall ausgeführt durch die Publikation des Working Papers „Dokumentation des Teaching Labs zum Lehrveranstaltungstyp Projektarbeit“.
In der hier gebotenen Kürze wird ein Grundriss innovativer emanzipatorischer Didaktik aus Perspektive der Interventionswissenschaft gruppendynamischer Prägung dargelegt. Der Kern emanzipatorischer Didaktik und gleichzeitig auch deren Herausforderung ist, die teils direkte, teils indirekte Vermittlung von Inhalten mittels Nutzung von Interventionen, die zu einer höheren Selbständigkeit auf Seite der Studierenden führen sollen. Dies ist deshalb schwierig, weil für die Vermittlung eine Organisation verwendet wird. Allerdings wird Organisation auch benötigt, vor allem dann, wenn die Komplexität der Aufgaben zunimmt. Metaphorisch ausgedrückt ist die Organisation von Lehre das Baugerüst, dass es ermöglicht, das Gebäude der Selbständigkeit zu errichten. Das Gebäude ist jedoch erst fertig, wenn das Baugerüst entfernt und die Stabilität des Bauwerks in der Folge nicht mehr gefährdet ist. Gleichzeitig ist die Organisation von Lehre dem Gesetz, und zwar im konkreten Fall dem österreichischen Fachhochschul-Studiengesetz, unterworfen. Damit wird sichtbar, dass Selbständigkeit – sowohl jene der Studierenden als auch jene der Lehrenden – mittels gesetzlicher Vorgaben begrenzt ist. Demokratische Strukturen wiederum ermöglichen, dass durch selbständige Initiativen Gesetze geändert, Regeln interpretiert und Schwerpunkte gesetzt werden können. Eine weitere Möglichkeit, Gesetze zu beeinflussen, sind auftretende Streitfälle, die entsprechend prozessiert werden. Die Lösung der Streitfälle kann die Schaffung neuer normativer Regeln initiieren, aber auch wenn das nicht der Fall ist, liegt im Prozessieren selbst ein wesentlicher Lerneffekt. Zusammengefasst ist es das Ziel innovativer emanzipatorischer Didaktik, verantwortungsbewusste Selbständigkeit zu vermitteln, die es Absolventinnen und Absolventen unter anderem ermöglicht, sich am demokratischen System verantwortungsvoll zu beteiligen. Dies setzt entsprechend verantwortungsvoll agierende Lektorinnen und Lektoren, Studiengangsleitung etc. voraus. Selbständigkeit meint hier das Bewusstsein, dass eigene Meinung und eigenes Wohlergehen wichtig sind, dass diese jedoch im Kontext mit anderen Meinungen und dem Wohlergehen anderer stehen. Dieser Bezug zu anderen Meinungen und dem Wohlergehen anderer erfordert Verantwortungsbewusstsein. Diese Verantwortung wird nicht immer und gerne angenommen, selbst wenn sie erkannt wird.
Die für das Teaching Lab erstellte Hintergrundtheorie bezüglich der Vermittlung von verantwortungsbewusster Selbständigkeit lautet, dass es notwendig ist,
- als Lehrkraft die eigene professionelle Verantwortung sich selbst, der Institution Fachhochschule und den Studierenden gegenüber bewusst zu machen und entsprechend zu agieren.
- Studierenden dosiert Verantwortung zu übergeben und
- gemeinsam mit den beteiligten Studierenden zu besprechen, was während dieser Phase der Selbst-verantwortung geschehen ist, um dadurch Lernen zu ermöglichen (Prozessanalyse, lessons-learned).
Eine Hintergrundtheorie im Sinne der Interventionswissenschaft wird mittels des Interventionsforschungsprozesses entwickelt und dient dazu, Interventionen zu entwerfen und das Bewusstsein der Beteiligten bezüglich eigener Verhaltensmuster zu erhöhen.
Ein Spannungsbogen, dem diese Form der Didaktik ausgesetzt ist, ist jener zwischen Autoritäten in der Hierarchie der Bildungsinstitution und Selbstorganisation von Mitarbeiterinnen, Mitarbeitern bzw. Studierenden. Dieser Spannungsbogen ergibt sich daraus, dass Hierarchie in ihrer Grundform keine Selbstorganisation akzeptiert, da diese die Position der Autoritäten in der Hierarchie gefährden würde. Hierarchien sind in dem hier beschriebenen Kontext mannigfaltig vorhanden: die Organisation der Bildungsinstitution und der Gesetzgebung, aber auch studentische Organisationen. Dementsprechend ist der Widerspruch zwischen Hierarchie und Selbstorganisation bzw. Selbständigkeit allgegenwärtig. Insgesamt werden immanente Konflikte wie z.B. unterschiedliche Interessen von Lektorinnen und Lektoren, Studenten und Studentinnen und deren Reflexion im Kontext hierarchischer Organisation als Lehr- bzw. Lernmöglichkeit aufgefasst. Darin zeigt sich die Schwierigkeit des Unterfangens, denn im Gegensatz zu einer distanzierten Vermittlung von anerkanntem Wissen geschieht das Aufeinanderprallen unterschiedlicher Interessen unmittelbar und erfordert – bei dosiertem Verzicht auf hierarchische Macht – einen mühsamen Verhandlungsprozess.
Unseres Erachtens ist die Voraussetzung für eine innovative, emanzipatorische Didaktik, dass sich Lektorinnen und Lektoren mit der hierarchischen Struktur der Lehrorganisation und der eigenen Position darin auseinandersetzen. Hier ist insbesondere der Widerspruch beinhaltet, dass Lehrende oft organisationale Entscheidungen oder rechtliche Vorgaben vertreten müssen, die sie als Privatperson ablehnen würden oder denen sie selbst kontrovers gegenüberstehen. Dass dieser Widerspruch bei Lehrenden vorhanden ist, zeigt einerseits die Erfahrung der Autoren aus formellen und informellen Gesprächen mit Kollegen und Kolleginnen und andererseits auch die Selbsterfahrung der Autoren. Speziell der Aspekt potenzieller Widersprüchlichkeiten zwischen Repräsentationsaufgaben und persönlichen Ansichten und der Umgang damit ist ein wichtiger Bestandteil organisationaler Wirklichkeit. Die bewusste Thematisierung solcher Widersprüche ist u.E. deshalb notwendig, weil den Studierenden nur so die Lektorinnen- und Lektoren-Rolle in Wort und Tat transparent vermittelt werden kann. Passiert dies nicht, so werden lediglich Tabus tradiert, und anstelle von Anpassungsmöglichkeit durch bewusste Reflexion verfestigt sich nicht reflektierbare Regelgebundenheit. Außerdem, das zeigt die Erfahrung aus vorhergehender Interventionsforschung, ist es wichtig, die Studierenden in ihrer eigenen Rolle ernst zu nehmen und ihnen dementsprechende Verantwortung zuzumuten. Erschwerend für die Interaktion im Kontext der Lehre ist, dass Studierende, neben dieser Rolle, auch andere, weitere Rollen innehaben (z.B. Mitarbeiterin, Mitarbeiter oder Führungskraft in einem Unternehmen, Mutter bzw. Vater, Beziehungspartner oder -partnerin etc.), die die eigene Wahrnehmung und das Verhalten beeinflussen können. Das bewusste Einbeziehen der Beschaffenheit der Lehrorganisation und der damit verbundenen Über- und Unterordnungen bzw. Weisungsrechte und Folgepflichten ist wesentlich, um den Studierenden für deren Handeln im Rahmen einer konkreten Lehrveranstaltung eine solide Basis zu geben.
ILV Teambildung (TVM): Soziales und zielgesteuertes Lernen mit Bezügen zum gesamten Studium
Studiengang: Bachelorstudiengang Technisches Vertriebsmanagement, 1. Sem.
LV-Leiter: Prof. (FH) Mag. (FH) Roman Anlanger, Hon.-Prof. (FH) Dipl.-Volksw. Mag. Wolfgang A. Engel
Motivation:
Die Lehrveranstaltung „Teambildung“ ist als Lehrveranstaltung im ersten Semester von Beginn an als interaktiv-partizipative Maßnahme (ILV) konzipiert worden. Das Konzept und die Umsetzung folgen dabei der Überlegung, dass ein Übergang von inhaltlichem Wissen zum praxisorientierten Umgang mit Wissen vor allem durch kommunikatives Handeln in der Lehre gefördert wird. Aus diesem Grund wurde die Lehrveranstaltung so konzipiert, dass die Studierenden auch außerhalb der Lehrveranstaltung selbst mitarbeiten müssen.
Lernziele:
Nach Absolvierung der Lehrveranstaltung sind die Studierenden in der Lage,
- die für Aufgaben des Projektmanagements erforderlichen Fach- und Methodenkompetenzen lösungsorientiert anzuwenden,
- durch soziales Lernen Beziehungen mit anderen aufzubauen, das eigene Verhalten wertschätzend, rücksichtsvoll und verantwortungsbewusst zu organisieren und zu reflektieren,
- Kooperationen im Team und mit anderen Teams zielorientiert zu planen und umzusetzen,
- Phasen der Teamentwicklung zu planen, durchzuführen und zu reflektieren,
- im Rahmen der Bearbeitung des Projektauftrags Fach- und Sozialkompetenzen zielgerichtet, aufgabengemäß und verantwortungsbewusst zu erfüllen und die dabei zu bewältigenden Probleme zu lösen.
Didaktisches Konzept:
Nach einer ausführlichen Einführung in das Lehr- und Lernkonzept werden die Studierenden über ihren Projektauftrag informiert: Dieser verlangt von ihnen, einen Punschstand zu planen, zu organisieren und in der Wiener Mariahilfer Straße in der Adventzeit zu errichten und zu betreiben. Ziel ist auch, für eine soziale Organisation einen möglichst hohen Spendenbetrag zu lukrieren.
Am Beginn der Planung und Umsetzung des Projekts reflektieren die Studierenden autonom die Aufgabenstellung. Die Lehrveranstaltungsleiter greifen im Sinne eines Management by Exception nur ein, wenn es im Hinblick auf die Zielerreichung notwendig erscheint, essentielle Korrekturen vorzunehmen. Bei allen Zwischenzielen der Projektrealisation gibt es von den Lehrenden moderierte Präsentations- und Reflexionsrunden, in denen die Übernahme von Rollen in Teams und ihre konstruktive Gestaltung bearbeitet wird.
Mit Hilfe eines standardisierten Testverfahrens werden die Rollenpräferenzen der Studierenden ermittelt und so ein Team-Profil für jede der gebildeten Zweck-Arbeitsgruppen abgebildet. Auf diese Weise werden für die verschiedenen Aufgabengebiete, die sich aus dem Projektauftrag ergeben, auf freiwilliger Basis Gruppen gebildet, die die Verantwortung für das jeweilige Aufgabengebiet übernehmen, z.B. für Technik, Finanzen, Sponsoring, Marketing des Vorhabens. Jede Gruppe wählt aus ihren Mitgliedern zwei Personen, die die Leitung bzw. deren Stellvertretung übernehmen. Ebenso wird eine Projekt-Gesamtleitung gewählt.
Im Projekt wird praktisch geübt, was im späteren Verlauf des Studiums vertieft zu lernen ist. Die individuellen Erfahrungen und Erlebnisse der Studierenden in der Projektumsetzung werden genutzt, um Verbindungen zu Inhalten zu generieren, die in späteren Semestern des Studiums folgen. Das betrifft z.B. die Gegenstände Betriebswirtschaftslehre (Rechnungswesen, Kostenrechnung), Marketing und Vertrieb (Maßnahmen, Psychologie), Führung und Konfliktmanagement.
Besonderheiten:
Am Beginn des Projekts muss jede/r Studierende mehrere Schwierigkeiten gleichzeitig bewältigen: Zum einen, als Mitglied eines neuen Teams die eigene Rolle einzunehmen und zur Arbeitsfähigkeit des neuen Teams beizutragen. Dies wird zum anderen zusätzlich dadurch erschwert, dass die Teams schon zu Projektbeginn weitreichende Entscheidungen auf der Basis noch relativ geringer Informationen treffen müssen. Weder kennen die Studierenden die Einzelheiten der Aufgabe, die auf das Team zukommen, noch die anderen Studierenden und deren Fähigkeiten und/oder Beschränkungen, noch können sie die eigenen Kompetenzen in diesem Kontext tatsächlich beurteilen. Sie müssen mit maximaler Unsicherheit eine Entscheidung treffen, deren Konsequenzen zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht vollständig absehbar sind.
Im Verlauf der Projektarbeit zeigt sich, dass besonders jüngere Studierende oft ein falsches Bild davon haben, was es bedeutet, Führungsrollen und Führungsverantwortung zu übernehmen. Obwohl diese Problematik in der Einführungsveranstaltung von den Lehrenden explizit und ausführlich thematisiert wird, kommt es gelegentlich zu Fehlentwicklungen bei der Führungskräfteauswahl. Die Lehrenden reflektieren diese Entwicklungen mit den Teams und fördern dadurch hohe Lerneffekte bei allen Beteiligten.
Die am wenigsten mit Schwierigkeiten behaftete Phase ist erfahrungsgemäß die der eigentlichen Projektdurchführung, der Tag des Punschstandes an einem Vorweihnachtssamstag. Trotz vieler schwieriger Phasen ist an diesem Tag der Gruppenzusammenhalt auf seinem höchsten Niveau. Jetzt ist die „Phase der Euphorie“ erreicht.
Die Lehrveranstaltung eignet sich nicht für eine konventionelle Prüfungsform. Stattdessen wird eine Peer Evaluation durchgeführt: Die Studierenden werden gegen Projektende aufgefordert, einen Reflexionsbogen auszufüllen, der aus zwei Teilen besteht: Im ersten Teil werden die subjektiven Eindrücke von Ablauf und Ergebnissen des Projektes erfasst. Der zweite Teil dient zur gegenseitigen Beurteilung der Studierenden untereinander. Dabei bewerten die Studierenden gegenseitig das Maß ihres Engagements im Projekt. Jede/r StudentIn muss auch sich selbst bewerten.
Erfahrungen mit dem Lehrveranstaltungskonzept:
Für die Studierenden sind besonders die durch das Projekt angestoßenen Selbstorganisationsprozesse besonders lehrreich. Durch die Integration von Aufgabenstellungen aus unterschiedlichen Fachgebieten erkennen Studierende bereits im ersten Semester die Vernetzung von Lehrinhalten, die sich über das gesamte Curriculum erstrecken. Damit wirkt die Lehrveranstaltung auch als Motivator für die intensive Auseinandersetzung mit verschiedenen Lehrinhalten in den nachfolgenden Semestern.
Begleitforschung:
Die Lehrveranstaltung wurde darüber hinaus mittels Interventionsforschung beforscht. Als zentrales Ergebnis stellte sich heraus, dass die Lehrveranstaltung besonders geeignet ist, den Studierenden drei grundlegende Dimensionen von Teambildung zu vermitteln:
- der Ebene der Teambildung an sich,
- die Ebene der Vermittlung von theoretischen Aspekten von Teambildung und
- die Ebene der Reflexion des Prozesses, der durch das vom Lehrenden-Paar beauftragte Projekt stattfindet (vgl. Schuster 2016: 84).
Referenzen:
Schuster, R. J. (2016). Einführung in die Didaktik der Selbstorganisation (Bd. 13), hg. von R. Arnold, Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren GmbH
ILV Politische Ökonomie & Wirtschaftsgeschichte (EWUF): Selbstgesteuertes Lernen und eine TV-Diskussion mit Adam Smith
Studiengang: Bachelorstudiengang Europäische Wirtschaft und Unternehmensführung
LV-Leiter: Mag. Martin Pachel
Motivation:
Wie kann es gelingen, eine Lehrveranstaltung zu Politische Ökonomie und Wirtschaftsgeschichte so zu gestalten, dass Studierende „von selbst“ lernen? Die ursprüngliche Idee zur Überarbeitung des Kurses und zur Umsetzung des hier beschriebenen Lehrkonzeptes entstand, nachdem die Studierenden in vielen Fällen eine passive Haltung einnahmen oder der Lehrveranstaltung eher geringe Bedeutung beimaßen. Diskussionen innerhalb der Lehrveranstaltung ergaben sich vorwiegend zwischen Studierenden, die von vornherein ein Interesse an der Materie hatten und über entsprechendes Vorwissen verfügten.
Der Lehrveranstaltung wurde in der Vergangenheit aufgrund des theoretisch-historischen Zugangs unter anderem „geringe praktische Relevanz“ attestiert und im Vergleich zu anderen, vor allem betriebswirtschaftlichen Lehrveranstaltungen auch als wenig wichtig empfunden. Daher wurde die Lehrveranstaltung unter Einbeziehung der Studierenden kontinuierlich weiterentwickelt, ein Prozess, der in ein partizipatives Lehrveranstaltungskonzept mit hoher Selbststeuerung der Studierenden mündete.
Lernziele:
Die Studierenden sollen am Ende der Lehrveranstaltung in der Lage sein,
- die theoretischen Hauptströmungen der Volkswirtschaft, ihre Entstehungsbedingungen, For-schungsprogramme und zentralen wirtschaftspolitischen Aussagen zu verstehen und zu erläutern,
- ökonomische Texte und aktuelle wirtschaftspolitische Debatten ideologisch-theoretisch einzuordnen,
- wissenschaftlich fundierte Argumente zu formulieren, diese zu erläutern und in Diskussionen zu vertreten,
- die Gender-Bezüge der bearbeiteten Themen zu erläutern und zu analysieren,
- und eigene Lernprozesse zielorientierter, kreativer und qualitätsbewusster zu planen und umzusetzen.
Didaktisches Konzept:
Die Lehrveranstaltung verfolgt einen emanzipatorisch-partizipativen Ansatz der Wissensvermittlung, der die typische Rollenverteilung zwischen Lehrenden und Studierenden überwindet und insbesondere Methoden des selbstgesteuerten Lernens fördern soll. Dies wird durch die Einbindung der Studierenden in die Zielformulierung der Lehrveranstaltung, in ihre inhaltliche und formale Gestaltung sowie in die Erarbeitung von Prüfungsinhalten und -kriterien erreicht.
Einstieg in die Lehrveranstaltung:
Am Beginn der Lehrveranstaltung stellt der Lehrveranstaltungsleiter die Studierenden vor die Wahl zwischen zwei Alternativen, wie die LV durchgeführt werden soll: im üblichen Format oder in Form des selbstgesteuerten Lernens. Die Studierenden wählen in den letzten Jahren konstant die zweite Option. Nach der detaillierten Darstellung und Diskussion der Lehrveranstaltungsziele und der Vereinbarung der Kursmodalitäten gibt der Lehrveranstaltungsleiter einen Überblick über relevante Epochen der Wirtschaftsgeschichte sowie damit verbundene Themen.
Selbstgesteuertes Lernen:
Die Studierenden werden in umfassender Weise in die Gestaltung der Lehrveranstaltung eingebun-den und praktizieren selbstgesteuertes Lernen in unterschiedlichen Formen:
- Die Studierenden übernehmen in Gruppen jeweils eine Lehreinheit des Kurses, in der sie unter freier Auswahl der Lehrmittel und Form des Vortrages vor der Aufgabe stehen, das gewählte Thema für die anderen Studierenden aufzubereiten.
- Im Zuge dieser Präsentationen erarbeiten die unterrichtenden Studierenden eigenverantwortlich den Prüfungsstoff, wodurch Engagement, Aufmerksamkeit und Gründlichkeit in der Analyse gefördert werden. Ergänzt wird dies durch Kurzvorträge und Moderation durch den Lektor, wobei stets die praktische Dimension der behandelten Inhalte im Vordergrund steht.
- Die von den Studierenden behandelten Themen sind automatisch prüfungsrelevant; das hat zur Folge, dass die Studierenden ihr Feedback zu anderen Gruppen kritischer gestalten und insgesamt eine sorgfältigere und tiefere Auseinandersetzung mit dem Stoff erreicht wird.
- Jede Gruppe hat die Aufgabe, einen an ihren Vortrag anknüpfenden Beitrag zum Prüfungsstoff zu erstellen, der in der Einheit diskutiert, gemeinsam modifiziert, und abschließend vom Lektor ergänzt und zusammengefasst wird. Die Studierenden erarbeiten somit die Prüfungsthemen und die damit verbundenen Konzepte weitgehend selbstständig.
- Wie die Themen können auch Präsentationsform und -mittel frei gewählt werden, wobei je-der Vortrag eine Diskussion einschließt, die von den Studierenden auch moderiert wird.
Erfahrungen mit dem Lehrveranstaltungskonzept:
Die Erfahrungen zeigen, dass durch den systematischen Einsatz verschiedener Elemente des selbstor-ganisierten und selbstgesteuerten Lernens Motivation, Beteiligung und Eigenverantwortung der Stu-dierenden gestärkt wird. Die selbstständige Auswahl von Themen, Arbeits- und Präsentationsformen führt auch zur Entwicklung und Anwendung von kreativen Konzepten und gleichzeitig zu einer Reflexion von didaktischen Methoden und inhaltlichen Bestandteilen der Lehrveranstaltung.
So nutzen die Studierenden für Präsentationen beispielsweise digitale Medien, Quizzes und Rollenspiele, Aufgaben für das Publikum oder laden auch schon einmal Adam Smith in fiktive Fernsehdiskussionen ein, in denen die DiskutantInnen unterschiedliche theoretische Positionen einnehmen.
Das Lehrveranstaltungskonzept wirkt sich auch sehr positiv auf die Qualität der studentischen Arbeiten aus, weil die Studierenden untereinander eine erhöhte Erwartungshaltung entwickeln. Auch für die Prüfung hat das Konzept einen wichtigen Effekt, denn als Konsequenz der eigenständigen Erarbeitung des Prüfungsstoffes wird die abschließende Prüfung in vielen Fällen nur mehr als „Nebenerscheinung“ der eigenen, bereits über das Semester hinweg geleisteten Arbeit empfunden.
PS Veränderungsmanagement (PORG): Planspiel mit großem Finale
Studiengang: Masterstudiengang Projektmanagement und Organisation
LV-Leiter: PD Dr. Peter Heimerl, Dr. Christian G. Majer, MMag. Andreas Nachbagauer
Lernziele:
Die Studierenden sollen nach Abschluss der Lehrveranstaltung in der Lage sein,
- Konzepte für Veränderungsprozesse zu entwerfen und zu bewerten,
- Veränderungsprozesse selbständig zu initiieren und zu analysieren
- unterschiedliche Vorgehensweisen und den Einsatz von Methoden des Veränderungsmanagements kritisch zu reflektieren
Lehrinhalte:
Die Studierenden bearbeiten Fallbeispiele von Veränderungsprozessen, die in der Regel aus ihrer eigenen Berufspraxis stammen, analysieren diese in Kleingruppen und erarbeiten darauf aufbauend eine analytisch orientierte Seminararbeit als Gruppenarbeit sowie eine individuelle Reflexionsarbeit. Zentrale Lehrinhalte sind Theorien und Modelle des Veränderungsmanagements, die Fallarbeit selbst, die methodische Planung und Analyse sowie die Reflexion von Prozessen des Veränderungsmanagements im Wechselspiel von Theorie und Praxis.
Didaktisches Konzept:
Aufgrund der Komplexität und Dimensionsvielfalt bei Veränderungsprozessen ist die Lehrveranstaltung entsprechend den Grundsätzen des erfahrungsbasierten Lernens konzipiert (Kolb 1984). Im erfahrungsbasierten Lernen geschieht Lernen über zwei Modi der Transformation: durch gedankliches Experimentieren (Deduktion) und reflexives Beobachten (Induktion). Im ersten Modus wird abstraktes Wissen auf eine konkrete Erfahrung angewendet (Deduktion), im zweiten Modus werden konkrete Erfahrungen durch Verallgemeinerung in abstraktere Konzepte überführt (Induktion).
In der Lehrveranstaltung werden die Studierenden in drei parallel geführte Untergruppen geteilt, die zur Fallarbeit wiederum in Kleingruppen unterteilt werden. Für ein organisationales Planspiel und eine gemeinsame Abschlussveranstaltung treffen die Gruppen im Plenum zusammen, sodass sich ein Wechsel zwischen Kleingruppen und Großgruppenarbeit ergibt.
Durch die Bearbeitung eigener Fälle wird der Lernprozess gleichermaßen durch den Input der Studierenden wie durch die Vorgaben der Lehrenden gesteuert. Dies bietet für die Studierenden Orientierung ebenso wie eine verstärkte Berücksichtigung ihrer beruflichen Erfahrungen und Interessen sowie ihrer Lernstile.
Die Lehrveranstaltung wird in Form einer Kombination aus kurzen Vorträgen der Lehrenden, Diskussionen, Fallarbeit und (Rollen-)Spielen durchgeführt.
Arbeitsschritte:
Am Beginn der Lehrveranstaltung werden die Studierenden gebeten, ein Beispiel für einen Veränderungsprozess aus ihrer eigenen beruflichen Erfahrung bzw. Berufstätigkeit einzubringen. In Kleingruppen werden diese Fälle diskutiert und ein Fall für die weitere Bearbeitung ausgewählt.
Auf Basis der Fallschilderung beginnen die Kleingruppen mit der Analyse. Dabei werden laufend die Erfahrungen mit Veränderungsprozessen in anderen Unternehmen ebenfalls Gegenstand der Analyse und Diagnose. Im Mittelpunkt der Analyse stehen Chancen und mögliche Probleme in Veränderungsprozessen sowie grundlegende Fragen des Veränderungsmanagements nach möglichen Interventionen und ihrer Planung und Umsetzung.
In der dritten Lehrveranstaltungseinheit, in der alle Gruppen zusammentreffen, wird ein von einem Lektor entwickeltes organisationales Planspiel durchgeführt. Themen sind dabei die unterschiedlichen Rollen und Perspektiven in einem Beratungssetting (Kundensystem und Beratungssystem), Möglichkeiten und Ansätze der Intervention, Dynamiken von Veränderungsprozessen sowie Kommunikation und Nicht-Kommunikation in Veränderungsprozessen. Für die Studierenden ergibt sich im Planspiel eine Vielzahl von Erkenntnissen für die weitere Arbeit in den Kleingruppen.
Jede Kleingruppe verschriftlicht die gewonnenen Erkenntnisse nach der Analysephase in einer wissenschaftlichen Ansprüchen genügenden Seminararbeit.
Die Ergebnisse der Analysen werden in einer gemeinsamen „Finissage“ aller Gruppen präsentiert und sichtbar gemacht. In der Finissage stellen die Kleingruppen im Rahmen von Poster-Präsentationen die eigenen Ergebnisse allen anderen Gruppen in einem Elevator-Pitch vor. Die Studierenden wandern von einer Präsentation zur anderen und lernen dadurch über die Ergebnisse der eigenen Kleingruppe hinaus eine große Bandbreite von Fällen, Vorgehensweisen und Lösungsansätzen für Veränderungsprozesse in Unternehmen kennen. Mit Unterstützung der Lehrenden arbeiten sie in der Zusammenführung der Perspektiven und Fälle verallgemeinerbare Gemeinsamkeiten sowie fall- und situationsspezifische Unterschiede heraus. Damit wird das Spannungsfeld zwischen allgemeinen Modellen und Theorien und ihrer jeweiligen konkreten Anwendung transparent gemacht.
Rollen der Lehrenden:
Mit dem didaktischen Konzept ist eine Reihe von unterschiedlichen Rollen verbunden, die die Lehrenden einnehmen. Zum einen geben sie allen Kleingruppen regelmäßig Feedback zu ihren Fortschritten sowie inhaltlich passende Inputs für die weitere Arbeit. Zusätzlich agieren sie in jeder Lehrveranstaltungseinheit als Inputgeber, als Coaches für die Arbeitsgruppen, als ModeratorInnen, besonders im Rahmen des Planspiels und in der Finissage, und als Reflexionspartner der Studierenden.
Beurteilung:
Grundlagen der Beurteilung sind eine schriftliche Seminararbeit als Gruppenarbeit (von bis zu vier Studierenden: 70%) und eine Reflexionsarbeit als Einzelarbeit (30%).
In der schriftlichen, als Einzelarbeit zu erbringenden Reflexionsarbeit, die bis zwei Wochen nach der Finissage zu erbringen ist, sind die Studierenden gefordert, die bearbeiteten Fälle und die erprobten Inhalte und Prozesse zu dokumentieren und nachzubearbeiten. Die Reflexion umfasst die Inhalte der Themen und Fälle ebenso wie den Prozess der Lehrveranstaltung und schließt den Kreis des Erfahrungslernens ab.
Erfahrungen mit dem Lehrveranstaltungskonzept:
Positiv hervorzuheben ist die Aktivierung der Studierenden durch die Möglichkeit, direkt an ihrer Alltagserfahrung anzudocken sowie der Wechsel des Designs zwischen Klein- und Großgruppe. Ebenso werden Ansätze des Peer-Teaching ermöglicht. Die Vielzahl und Unterschiedlichkeit der Fälle zeigt das große Spektrum von Veränderungsprozessen kompakt und ungezwungen, sowohl Gemeinsamkeiten wie Unterschiede können direkt herausgearbeitet werden.
Die selbst eingebrachten Fälle erhöhen die Glaubwürdigkeit und Authentizität gegenüber der Alternative Teaching Cases. Damit wird der verbreiteten Praxisgläubigkeit vorgebaut und Studierenden wird bewusst, dass erstaunliche – positive wie negative – Dinge „wirklich“ passieren. Studierende erleben, dass sie durchaus über Kapazitäten verfügen, nicht nur Kritik zu üben, sondern auch Verbesserungen vorzuschlagen.
Für dieses Lehrkonzept ist eine hohe Abstimmung der Lehrenden sowohl auf organisatorischer wie auch auf inhaltlicher Ebene notwendig. Vor allem in den offen gestalteten Phasen des Team-Teaching (Rollenspiel, Finissage), das viele ad hoc-Elemente und spontanes Aufgreifen von Beiträgen bedingt, ist ein gemeinsames theoretisches Verständnis von Veränderungsprozessen und didaktisches Verständnis von Unterrichtsmethoden und -settings unerlässlich.
Zwei Problematiken ist vor allem in der Kleingruppenarbeit besondere Aufmerksamkeit zu widmen: Einerseits verfügen die Studierenden regelmäßig über sehr unterschiedliches theoretisches Vorwissen und praktische Erfahrung, dies kann durch Betonung des Peer-Teaching abgemildert werden. Andererseits ist die Verteilung der Arbeitslast durch die Falleinbringung einer Person in der Kleingruppe unter Umständen sehr ungleich verteilt. Dem kann durch eine bewusste Rollengestaltung in der Gruppe (z.B. FallbringerIn vs. BeraterIn/BefragerInrolle, Fallarbeit vs. Literaturarbeit etc.) entgegengewirkt werden.
Referenz:
Kolb, David A. (1984). Experiential Learning. Englewood Cliffs, NJ.: Prentice Hall.
UE Negotiations (SHRM): Marktplatz, Vier-Schritt-Modell und jede Menge praktisches Tun!
Studiengang: Masterstudiengang Strategic HR Management in Europe, 4. Sem.
LV-Leiterin: MMag.a Katharina Gröblinger
Motivation:
Basierend auf den Erfahrungen mit einer ähnlichen Lehrveranstaltung im Bachelorstudiengang sollte eine Lehrveranstaltung konzipiert werden, die den komplexeren Qualifikationszielen des Masterstudiengangs entspricht. Bei der Konzeption der Lehrveranstaltung sollte besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, dass sich die Lehrinhalte mit denen anderer Lehrveranstaltungen vor allem des 4. Semesters ergänzen, damit die Studierenden eine große Bandbreite an praktisch verwertbaren und komplementären Kompetenzen erwerben können.
Lernziele/Lernergebnisse:
Nach erfolgreicher Beendigung der Lehrinhalte sind die Studierenden in der Lage, drei grundlegende Phasen von Verhandlungen – Vorbereitungsphase, Verhandlung, Feedbackphase – zu planen, durchzuführen, zu dokumentieren und nachzubereiten. Im Detail können die Studierenden unter aktiver Anwendung des englischen Wortschatzes
- Typen und Phasen sowie Kriterien erfolgreicher Verhandlungsführung aufbauend auf theoretischen Grundlagen beschreiben und erklären,
- unterschiedliche Methoden und Techniken der Verhandlungsführung erläutern,
- den Zielen entsprechend Verhandlungsstrategien auswählen, die in einem bestimmten Kontext bzw. einer bestimmten Situation am erfolgversprechendsten erscheinen;
- Verhandlungstypen erkennen und die eigene Verhandlungsstrategie der Situation und dem Kontext angemessen vorbereiten und systematisch gliedern,
- passende Methoden der Verhandlungsführung auswählen und diese den Standards und Kriterien einer fairen Verhandlungsführung bzw. Lösungsfindung entsprechend anwenden,
- Techniken der Bewältigung von Blockaden und Hindernissen für einen erfolgreichen Verhandlungsabschluss gezielt einsetzen,
- Herausforderungen in interkulturellen Teams erkennen und lösungsorientiert bearbeiten.
Didaktisches Konzept:
Das Lehrveranstaltungskonzept ist hoch strukturiert und fördert den Erwerb von theoretischen und methodischen Grundlagen und ihren Transfer durch die Verbindung von handlungsorientiertem und erfahrungsbasiertem Lernen.
Da viele Studierende direkt von der Arbeit in die Lehrveranstaltung kommen, finden Theorieteile bzw. Inputs immer am Beginn einer Lehrveranstaltung statt. Alle Lehrveranstaltungen sind nach dem „Vier-Schritt“-Modell in dieser Reihenfolge aufgebaut: Theoretischer Input, Beispiele, Gruppenübungen, Reflexionen. Auf diese Weise wird ein Spannungsbogen aufgebaut, der das Interesse fördert, wie andere Studierende die Verhandlungssituationen umgesetzt und erlebt haben und welche Lessons Learned daraus gezogen werden können.
Einstieg in die Lehrveranstaltung
Zu Beginn der Lehrveranstaltung werden die Studierenden bei ihrem Vorwissen „abgeholt“: Auf fünf vorbereiteten Flipcharts ist jeweils eine Frage formuliert, die die Studierenden schriftlich beantworten („Market Place“). Unter anderem werden sie dabei gebeten, ihre Erwartungen an die Lehrveranstaltung zu formulieren. Im Anschluss erhalten die Studierenden detaillierte Informationen über die Lernziele und Lerninhalte, die didaktische Vorgehensweise, die Form und Kriterien der Beurteilung sowie über die Lernmaterialien.
Der Ablauf:
Zu Beginn werden die Studierenden in zwei große Gruppen geteilt. Jede der beiden Gruppen bekommt Unterlagen für die folgende Verhandlung, welche aus dem Program on Negotiation (PON) der Harvard Law School stammen. Darin erhalten sie Informationen über ihre Rollen als VerhandlungspartnerInnen und die Rahmenbedingungen der Verhandlung.
Im nächsten Schritt bereiten sich die Studierenden in zwei verschiedenen Räumen auf die Verhandlung vor, damit die Diskussionen stattfinden können, ohne dass die andere Gruppe mithört. Gemeinsam beraten sie sich über die Verhandlungsführung, die Kompromissmöglichkeiten sowie die Optionen und möglichen Vorgehensweisen. Die Studierenden entscheiden eigenständig, welche Verhandlungsstrategie sie wählen und wie sie diese in der Verhandlungssituation umsetzen. Es ist ihnen freigestellt, Unterlagen und Inputs aus dem Theorieteil zu verwenden.
Die Verhandlung:
Nach der Vorbereitungsphase, die für gewöhnlich 20 bis 30 Minuten dauert, werden Verhandlungspaare gebildet, bestehend aus je einer Person aus Gruppe A und einer Person aus Gruppe B. Jedes der ca. zehn Verhandlungspaare sucht einen Platz im Lehrsaal und beginnt zu verhandeln. Während der Verhandlungen geht die Lehrveranstaltungsleiterin von Paar zu Paar und hört zu, um zu erfahren, wie es den Studierenden geht, wie sie in ihren Verhandlungen vorankommen und wo es Verbesserungspotential gibt. Die Verhandlungen dauern ca. 20 bis 30 Minuten.
Die Reflexion:
Als letzter Teil des „Vier-Schritt“ Models erfolgt im Anschluss die Reflexions- und Feedbackphase. In dieser Phase werden die Studierenden gebeten drei Punkte zu notieren, die gut funktioniert haben („3 Worked Well“) sowie drei Lektionen („3 Lessons Learned“), die sie gelernt haben bzw. in Zukunft anders machen möchten. Die Studierenden werden dazu motiviert, diese Erkenntnisse zu teilen. Konstruktive Kritik ist in allen Diskussionen und Feedbackrunden ausdrücklich – auch gegenüber der Lehrveranstaltungsleiterin – erwünscht.
Evaluierung und Beurteilung:
Die Beurteilung basiert auf einer Kombination von Anwesenheit (8 Punkte für jede der acht besuchten Lehrveranstaltungen = maximal 64 Punkte) und zwei „written reviews“, in der die Studierenden jeweils fünf reflexive Fragen zu den Lernzielen beantworten müssen (2 x max. 16 Punkte). Werden weniger als 70 Punkte erreicht, muss eine schriftliche Ersatzarbeit abgegeben werden.
Erfahrungen:
Die Lehrveranstaltungsleiterin hat die Zusammenarbeit mit den Studierenden in sämtlichen Semestern als sehr positiv empfunden, was sich auch in den sehr guten Evaluierungen widerspiegelt. Die Studierenden bringen sich und ihre Erfahrungen maximal in die Lehre ein und können ihre Fähigkeiten und ihr Wissen in den Verhandlungsrunden nachweislich verbessern bzw. optimieren. Da ausschließlich Beispiele aus dem HR Bereich bzw. aus verwandten Bereichen verwendet und diskutiert werden, erwerben die Studierenden Wissen und Fähigkeiten, die sie sofort in der Praxis umsetzen können.
UE Business English mit Blended Learning (EWUF): Interaktiv, kompetenzorientiert, individualisierbar
Studiengang: Bachelorstudiengang Europäische Wirtschaft und Unternehmensführung, 2. Sem.
LV-Leiterin: Mag.a Barbara Ebersberger
Motivation:
Für die Weiterentwicklung des Konzepts der Lehrveranstaltung Business English 2 waren zwei Beweggründe ausschlaggebend: Zum einen hat sich in den Präsenzphasen ein zunehmender Bedarf an praxisorientiertem Unterricht herauskristallisiert. Die dafür nötige Zeit soll durch eine Erweiterung der Selbstlernmöglichkeiten in einer Blended Learning-Phase gewonnen werden. Zum anderen war es das Ziel, diesen Ansatz in allen Lehrveranstaltungen des gesamten Fachbereichs umzusetzen. Die Lehrveranstaltung Business English 2 ist damit Multiplikator für eine Lehrinnovation im gesamten Fachbereich; die neu entwickelte Methodik wird auf acht weitere Lehrveranstaltungen ausgerollt.
Lernziele/Lernergebnisse:
Nach positiver Absolvierung dieser Lehrveranstaltung sind die Studierenden in der Lage, die grundlegende Englische Grammatik anzuwenden und sowohl mündlich als auch schriftlich in den verschiedensten Geschäftssituationen mit dem passenden Vokabular und im angemessenen Sprachregister (formell, neutral, informell) zu kommunizieren. Dies beinhaltet, sowohl das jeweils passende Vokabular zu verstehen und in weiterer Folge selbst anwenden zu können, als auch relevante sprachliche Merkmale von schriftlichen und mündlichen Texten analysieren zu können.
Die Studierenden sollen neues Vokabular selbstständig anwenden und in unterschiedlichen Geschäftssituationen im passenden Sprachregister agieren können. Dies umfasst das Beantworten von schwierigen Fragen, z.B. bei Pressekonferenzen zum Thema ‚Crisis Management‘, die Beantwortung von Fragen in Bewerbungsgesprächen und aktives Zuhören im ‚Customer Service‘. Das eigenständige Schreiben von relevanten Textsorten komplettiert das angestrebte Kompetenzprofil.
Die Lehrveranstaltung zielt auf den umfassenden Erwerb von berufsfeldbezogenen Fachkompetenzen, Methodenkompetenzen, sozialen Kompetenzen und Selbstkompetenzen ab.
Lehrveranstaltungsinhalte:
Die Grammatik-Punkte, und damit die Inhalte der Selbstlernphasen über Moodle, umfassen verb tenses – active and passive (Zeiten, aktiv und passiv), conditionals (Bedingungssätze), gerunds and infinitives (Gerundiv und Infinitiv), modals (probability) (Modalverben, Wahrscheinlichkeit), articles (Artikel), countable and uncountable nouns (zählbare und unzählbare Nomen).
Thematische Inhalte / Vokabular umfasst die Bereiche management styles, team building, raising finance, customer service, crisis management, mergers and acquisitions, recruitment. Aus den thematischen Schwerpunkten leiten sich die jeweiligen kommunikativen Elemente und Aktivitäten sowie die Textsorten ab.
Behandelte Textsorten sind e-mails (inquiries, orders, discussing terms, asking for payment, job application, complaints, apologies), reports, cover letters, und CVs.
Didaktisches Konzept:
Kombination von Lehrmethoden:
Ein besonderes Merkmal der Lehrveranstaltung liegt in der Kombination von interaktiven Methoden des Sprachunterrichts mit E-Learning bzw. Blended-Learning-Elementen und Peer-basierten Lernmethoden. In Präsenzphasen kommen u.a. Brainstorming, die Elicitation-Methode, spielerische und aktivierende Lernmethoden wie Running Dictation, Rollenspiele zu Geschäftssituationen ebenso wie Gruppenarbeiten und Paarübungen zum Einsatz. Die gewählten Methoden folgen dabei einer konstruktivistischen Didaktik (vgl. Siebert 2007), indem sie das vorhandene Wissen von Studierenden nutzen und sichtbar machen, was erfahrungsgemäß sehr motivationsfördernd wirkt.
Reziprokes Lernen:
Ein weiteres Merkmal ist, dass die Studierenden im Zuge von Präsentationen durch Peer-Teaching und Peer-Assessment (Topping 2009) im Rahmen des reziproken Lernens (Hattie 2015) in kleinerem Umfang Lehrendenaufgaben übernehmen. Im Präsenzunterricht sowie in E-Learning gestützten Selbstlernphasen verfassen die Studierenden wiederum verschiedene Textsorten und bearbeiten Übungen wie Lückentexte, Matching Tasks oder Leseaufgaben.
Das übergeordnete Prinzip dieser Kombination von Lehrmethoden ist, dass der kommunikative Spracherwerb im Vordergrund steht, weil durch gemeinsames Erarbeiten und unterschiedliche Aktivitäten die kommunikativen Fähigkeiten der Studierenden erhöht werden. Das beinhaltet auch den Wechsel der Rolle der Lehrenden weg von klassischen WissensvermittlerInnen hin zu ModeratorInnen und BegleiterInnen des Lernprozesses (Stichwort ‚Reduce Teacher Talk‘).
Lernerfolgskontrolle mit erfolgsabhängigen, individualisierte Lernangeboten:
Ein besonderes Merkmal der LV ist die Verknüpfung von E-Learning, Blended Learning und formativem Assessment. Grammatik-Inhalte werden durch folgende E-Learning Elemente über Moodle in Form eines Test-Teach-Test-Ansatzes (TTT) in die Lehrveranstaltung eingebettet:
- Als Einstieg in ein Thema erhalten die Studierenden ein kurzes, aus zehn Fragen bestehendes Quiz in Form eines Lückentextes (Test).
- Erreichen die Studierenden 9-10 Punkte, kann davon ausgegangen werden, dass sie das Thema ausreichend beherrschen; in diesem Fall erhalten sie keine Folgeaufgaben.
- Studierende, die weniger als neun Punkte erreichen, erhalten Folgeinhalte und -aufgaben zur selbständigen Bearbeitung via Moodle: Diese umfassen Videos und/oder Handouts mit Inputs zum betreffenden Grammatikthema und, je nach Einschätzung der Lehrenden, zusätzliche Verweise auf das Kursbuch (Teach), sowie weitere Quizzes mit 20 Fragen. Die Quizformate umfassen Lückentexte, Matching Tasks und Right or Wrong-Aufgaben (Test).
Mehr Autonomie und Individualisierung für Lernende:
Die großen Vorteile dieses Designs bestehen in der Stärkung der Autonomie der Lernenden hinsichtlich des Lerntempos und des Lernzeitpunktes sowie der Lernpräferenzen. Die Studierenden können so ihren Lernprozess individualisieren, indem sie diesen zum Beispiel an präferierte Tageszeiten anpassen. Für die FH des BFI Wien, mit einem Anteil von rund 70% berufsbegleitend Studierenden, ist in diesem Zusammenhang auch wichtig, dass die Studierenden diese Lernprozesse mit weiteren Verpflichtungen abstimmen können. Ebenso können die Studierenden beliebig oft auf die elektronischen Inputs zugreifen, womit Wiederholungen erleichtert werden und der zeitliche Aufwand selbst bestimmt werden kann.
Den Bedürfnissen von Studierenden, die 9-10 Punkte erhalten und ein Thema bereits sehr gut beherrschen, kommt dieses Lehrveranstaltungskonzept dadurch zugute, dass sie die festigenden Angebote nicht durchgehen und keine Folgeaufgaben lösen müssen. Für diese Gruppe bleibt somit Zeit für andere Lernthemen, in denen sie mehr Übung benötigen. Jedoch kann auch diese Gruppe die Aufgaben auf freiwilliger Basis lösen, wenn die Lehrenden sie frei schalten.
Erfahrungen:
Ein positiver Effekt der Festigung von Sprachkompetenzen mit Blended Learning besteht darin, dass in den auf eine E-Learning-Einheit folgenden Präsenzeinheiten Grammatikthemen nur mehr kurz aufgegriffen werden müssen, um etwaige Verständnisschwierigkeiten und offene Fragen zu klären. Dafür hat es sich als sehr sinnvoll herausgestellt, in den Präsenzphasen eine Übung zum Thema der Hausarbeit durchzuführen. Somit konnte auch das ursprüngliche Ziel, in den Präsenzphasen mehr Zeit für andere Inhalte zu haben, z.B. für mündliche Aktivitäten, erfolgreich realisiert werden.
In der ersten Umsetzung des Lehrveranstaltungskonzepts hat es sich als besonders wichtig herausgestellt, den Studierenden zu kommunizieren, dass sowohl Quizzes als auch weiterführende Inhalte als Angebote zur Überprüfung des eigenen Wissensstandes und zum Üben von Grammatik zu verstehen sind, aber keine Prüfungen darstellen. Konsequenterweise werden daher Punkte für das gewissenhafte Erledigen der Aufgaben vergeben. Nachdem dies an die Studierenden kommuniziert wurde, wurden die E-Learning Units positiv aufgenommen.
Für die Lehrenden sind für die Umsetzung des Konzepts gute Moodle-Kenntnisse, insbesondere die Einrichtung und Administration von Tests, eine wichtige Voraussetzung.
Referenzen:
Hattie, J.A. (2015) The Applicability of Visible Learning to Higher Education. In: Scholarship of Teaching and Learning in Psychology, 1 (1), p. 79-91.
Siebert, H. (Hrsg.) (1998) Konstruktivismus. Konsequenzen für Bildungsmanagement und Seminargestaltung. https://www.die-bonn.de/esprid/dokumente/doc-1998/siebert98_01.pdf (Zugriff: 29.06.2017).
Topping, K. J. (2009) Peer Assessment. In: Theory into Practice, Vol. 48, p. 20-27.
ILV Fundamentals of Mathematics and Statistics (ARIMA): Mastery Learning mit kontinuierlichen Lernerfolgskontrollen
Studiengang: Masterstudiengang Quantitative Asset and Risk Management (ARIMA), 1. Sem.
LV-Leiter: DI Mag. Martin Wirth
Die Lehrveranstaltung steht am Beginn des Moduls „Fundamentals in Quantitative Methods and Finance“. Das übergeordnete Lernziel ist die Vermittlung von grundlegenden Fertigkeiten in Mathematik und Statistik für finanzmathematische Anwendungen. Nach Abschluss der Lehrveranstaltung sollen die Studierenden in der Lage sein, mathematische und statistische Konzepte selbständig anzuwenden.
Die Lehrveranstaltung vermittelt Grundlagen für das eigene Modul und für spätere Lehrveranstaltungen im Curriculum, z.B. für die Lehrveranstaltung „Multivariate Methoden“ und „Time Series“.
Die Lernziele werden den Studierenden am Beginn der Lehrveranstaltung in detaillierter Form vorgestellt und auf der Moodle-Plattform in schriftlicher Form zur Verfügung gestellt. Ebenso erhalten die Studierenden am Beginn Informationen über den Ablauf und die Regeln der Lehrveranstaltung.
In der Lehrveranstaltung werden alle mathematischen und statistischen Konzepte behandelt, die in späteren Lehrveranstaltungen mit finanzmathematischen Inhalten verwendet werden. Insgesamt umfasst sie 40 Lehreinheiten (LE), die in fünf Wochenpakete aufgeteilt werden. Die Lehrinhalte sind nach zunehmender Komplexität in wochenspezifischen Schwerpunkten angeordnet (s. Tab. 1).
Tabelle 1: Inhalte der einzelnen Wochen
1. Woche | Mengenlehre, Algebra und Funktionen |
2. Woche | Grenzwerte, Reihen, Ableitungen, Taylor Reihen, Integralrechnung |
3. Woche | Matrizenrechnung, Lineare Algebra, Eigenwerte und Matrixdekompositionen |
4. Woche | Wahrscheinlichkeitstheorie, Deskriptive Statistik |
5. Woche | Lineare Regression, Zufallsvariablen |
Die einzelnen Lehrveranstaltungen finden üblicherweise am Dienstagabend (je 3 LE) und Donnerstagabend (je 4 LE) statt.
Im didaktischen Konzept der Lehrveranstaltung werden drei Elemente durchgängig miteinander verknüpft: (1) einführende Vorträge in den jeweiligen Schwerpunkt, (2) interaktive Übungen im Präsenzunterricht und (3) Hausaufgaben zur Festigung der schwerpunktspezifischen Fertigkeiten.
Um die Anwendungsbezüge der Lehrinhalte sichtbar zu machen, werden im Verlauf der Lehrveranstaltung regelmäßig Beispiele aus der finanzmathematischen Praxis vorgestellt. Dies wird im Laufe der Lehrveranstaltung immer wichtiger; unter anderem deswegen, weil die Inhalte komplexer werden und vor allem die Stochastik in der gesamten Finanzmathematik breiten Raum einnimmt.
Alle Themen werden mittels Vortrag des Lehrveranstaltungsleiters eingeführt. Anschließend lösen die Studierenden Beispiele zum jeweiligen Thema. Nach etwa fünfzehn Minuten rechnet der Lehrveranstaltungsleiter die Ideallösung an der Tafel vor. So wird sichergestellt, dass alle Studierenden am Ende die richtige Lösung kennen. Dieser „Rhythmus“ wird während der ganzen Lehrveranstaltung beibehalten.
Individuelle Bearbeitung und gemeinsame Reflexion von Hausaufgaben
Die Bearbeitung der Hausaufgaben und ihre Reflexion in der Lehrveranstaltung folgen einem klaren Muster: Am Ende jeder Woche werden sechs Aufgaben (Beispiele mit mehreren Unterpunkten, je nach Aufwand) auf die Lernplattform Moodle hochgeladen. Die Studierenden müssen die Aufgaben bis zum folgenden Dienstag individuell lösen.
An jedem Dienstag lässt der Lehrveranstaltungsleiter eine Liste durchgehen, in der die Studierenden jene Aufgaben ankreuzen, die sie bereits gelöst haben. Danach wird per Zufallsprinzip ein/e Studierende/r ausgewählt, der/die die Lösungen für ein Beispiel an die Tafel schreibt. Damit ergibt sich die Möglichkeit:
(1) Fragen der Studierenden zu beantworten und Schwierigkeiten zu besprechen,
(2) für jede Aufgabe die richtige Lösung sichtbar und den Lösungsweg für alle nachvollziehbar zu machen, und
(3) die Entwicklung der richtigen Lösung als gemeinsamen, konstruktiven Arbeitsschritt zu erleben, indem die Studierenden sich nicht vorgeführt fühlen, weil sie sich bereits vorbereiten konnten.
Für die Hausaufgaben werden insgesamt 30 Punkte vergeben. Bei der Punkteverteilung ist der Lehrveranstaltungsleiter eher großzügig: Wenn zwei Drittel der Teilaufgaben gelöst wurden, darf das Beispiel angekreuzt werden. Jedes angekreuzte Beispiel gibt einen Punkt.
Üblicherweise bleibt in der Dienstagsveranstaltung genügend Zeit für eine kurze Pause und einen Vortrag mit Beispielen wie oben beschrieben. In den Donnerstagsveranstaltungen gibt es Zeit für zwei Blöcke. Endet die Lehrveranstaltung an einem Donnerstag, können die Aufgaben der letzten Woche über Moodle abgegeben und bewertet werden.
Die Lehrveranstaltung wird mit einer schriftlichen Prüfung (70 Punkte) abgeschlossen.
Lehrmaterialien
Für die Lehrveranstaltung werden folgende Dokumente laufend aktualisiert zur Verfügung gestellt:
- Ein ausführliches Skriptum, in dem alle Themen vorgestellt werden.
- Eine Präsentation für jede Lehrveranstaltungseinheit.
- Beispielblätter für jede Woche mit je sechs Beispielen.
Erfahrungen mit dem Lehrveranstaltungskonzept
Insgesamt hat der Lehrveranstaltungsleiter mit der Struktur der Lehrveranstaltung sehr gute Erfahrungen gemacht. Die Studierenden üben üblicherweise sehr ernsthaft und die Abwechslung von Vortrag und Beispiellösung hilft, den hohen Workload zu bewältigen. Besonders effektiv für den Lernerfolg der Studierenden ist die gemeinsame Erarbeitung und Besprechung der Hausaufgaben.
Diese Vorgehensweise bietet den Studierenden einen systematischen Rahmen für die Festigung und Vertiefung ihrer Kenntnisse und Fertigkeiten. Zusätzlich erhalten sie dadurch die Möglichkeit, die eigene Lösung mit der richtigen Lösung zu vergleichen. Dies motiviert sie, den eigenen Lernfortschritt kontinuierlich zu überprüfen und im Hinblick auf die Anschlussprüfung selbständig zu vertiefen.
Die Evaluierungen der Lehrveranstaltung fallen mit einer Gesamtzufriedenheit zwischen 1,2 und 1,5 regelmäßig sehr positiv aus.